Attacken aus dem Netz

Dass unter Kindern und Jugendlichen gemobbt wird, ist nicht neu. Allerdings haben sich die Angriffe vom Schulhof aufs Handy und ins Internet verlagert. Die Folgen des Cybermobbings sind für die Opfer oft verheerend, denn Angriffe im Netz haben ein breites Publikum und sind schwer wieder zu entfernen.
Kommunikation läuft heutzutage zu wesentlichen Teilen über Handys, E-Mails, Websites, Foren, Chats und Communitys. Das hat die Hemmschwelle für Mobbingaktivitäten deutlich gesenkt. In der vermeintlich anonymen virtuellen Welt trauen sich Kinder und Jugendliche eher, andere Menschen anzugreifen, zu beleidigen und bloßzustellen. Und: Beim Cybermobbing können die Täter rund um die Uhr aktiv sein und finden zudem ein großes Publikum. Entsprechend „beliebt“ ist diese Form des Mobbings geworden. Laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt inzwischen jeder vierte Jugendliche an, dass es jemanden in seinem Bekanntenkreis gibt, der über das Internet fertiggemacht wurde. 15 Prozent sagen sogar, dass über sie selbst bereits schon Unwahrheiten im Netz verbreitet wurden. Bei einem Viertel der jugendlichen Internet-User wurde das Internet innerhalb der Clique bereits eingesetzt, um gezielt jemanden fertigzumachen. Eine besondere „Qualität“ des Cybermobbings: Das Internet vergisst nichts. Werden erst einmal verunglimpfende Bilder und fiese Beleidigungen über eine bestimmte Person im Internet verbreitet, ist es schwer, alle Inhalte endgültig zu löschen. „Deswegen sollte man sich im Internet grundsätzlich vorsichtig bewegen“, rät die polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes. „Insbesondere wenn man in sozialen Netzwerken aktiv ist, sollten nicht zu viele persönliche Daten für jedermann zugänglich sein.“ Das sieht auch Carmen Trenz von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) so. „Kinder und Jugendliche sollten sich darüber bewusst sein, dass Äußerungen im Internet eine Eigendynamik entwickeln können, über die man leicht die Kontrolle verliert. Selbst eher harmlose Konflikte oder Neckereien, die im Netz ausgetragen werden, können eskalieren.“
Und was tun, wenn man Opfer einer Cybermobbing-Attacke geworden ist? „Zunächst einmal darüber sprechen und zuhören“, empfiehlt Carmen Trenz. Sehr wichtig sind nach ihren Erfahrungen nicht zuletzt die Mitschülerinnen und Mitschüler, die den Fall mitbekommen, sich aber aus Angst nicht einmischen wollen. „Es hilft, wenn sie sich nicht an den Gemeinheiten beteiligen und die Gemobbten unterstützen.“ Viel zu selten wenden sich Jugendliche bei Online-Problemen an ihre Eltern, bedauert das Familienministerium. Wahrscheinlich, weil sie deren Unverständnis fürchten, Angst vor einem Internetverbot haben oder weil ihnen die Verunglimpfungen und Beleidigungen peinlich sind. Deshalb gelte für Eltern als erste Regel: „Interesse zeigen!“

Was man tun und lassen sollte:

• Verrate nicht zu viel über dich! Wohnort, Schule, Handynummer und Passwort sollten auf jeden Fall dein Geheimnis bleiben und nicht im Internet einsehbar sein.
• Denk nach, bevor du etwas im Internet veröffentlichst! Was einmal im Internet steht, ist nicht mehr so leicht zu entfernen. Wenn du ein Foto von dir einstellst, wähle eins aus, auf dem du nicht eindeutig zu erkennen bist. Willst du ein Foto von Freunden einstellen, musst du sie erst um Erlaubnis bitten.
• Bleib misstrauisch! Nimm nicht jeden gleich auf deine Freundesliste auf. Andere Community-Mitglieder erzählen nicht immer die Wahrheit über sich.
• Gib Mobbing keine Chance! Lass dich nicht auf Online-Streitigkeiten ein und mach nicht mit, wenn andere jemanden übers Internet fertig machen wollen. Wenn du eine Mobbing-Attacke beobachtest, dann hilf dem Opfer, indem du einen Erwachsenen informierst.
• Hol dir Hilfe! Wenn dir selbst einmal online etwas Unangenehmes passiert, dann suche dir einen erwachsenen Ansprechpartner, der dich unterstützen kann – und wehre dich.

„Sensibel werden für die Gefühle der Opfer“

Wie kann man gegen virtuelle Schikanen vorgehen und schon im Vorfeld Cybermobbing vorbeugen? Carmen Trenz von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS), Landesstelle Nordrhein-Westfalen, gibt Tipps.
Carmen Trenz ist Diplom-Pädagogin und Mediatorin. Sie ist Spezialistin für Jugendgewaltprävention mit dem Schwerpunkt Mobbing. Nach dem Studium arbeitete Trenz zunächst in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, danach in der Kleinkindforschung, anschließend beim Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik. 1981 wechselte sie zur Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS), Landesstelle Nordrhein-Westfalen, nach Köln.

Wie kann man generell vorbeugen? Trenz: Cybermobbing kann – genauso wie anderes Mobbing – am erfolgreichsten verhindert werden, indem Eltern und Pädagogen Kinder und Jugendliche zu einem respektvollen Umgang miteinander erziehen und dies auch konsequent vorleben. Junge Menschen sind sich nicht immer der Tragweite ihres Handelns im Internet bewusst. Sie glauben, das ist Spaß, und bedenken nicht, wie sehr Betroffene unter gemeinen Kommentaren, Geheimnisverrat oder peinlichen Fotomontagen leiden. Sie müssen also sensibilisiert werden für die Gefühle der Mobbingopfer. Da hilft manchmal schon ein Rollenspiel, in dem man die Opferperspektive einnimmt. Außerdem gibt es Bücher, Filmspots und Arbeitsmaterialien, in denen Beispiele geschildert werden. Da wird dann die ganze Tragweite der virtuellen Hetze deutlich.

Wie können sich Kinder und Jugendliche vor Cybermobbing schützen? Trenz: Sie dürfen keine Umstände oder Anreize bieten, die Mobbing begünstigen. Man sollte sich nicht angreifbar machen. Wer selbst Respekt zeigt, bietet weniger Angriffsfläche. Aggressiv klingende oder sexuell anzügliche Nicknames sollten vermieden werden. Kinder und Jugendliche sollten sich darüber bewusst sein, dass Äußerungen im Internet eine Eigendynamik entwickeln können, über die man leicht die Kontrolle verliert. Selbst eher harmlose Konflikte oder Neckereien, die im Netz ausgetragen werden, können eskalieren, wenn sich „Freunde“ oder Freunde dieser Freunde einmischen. Die Sicherheitsregeln gilt es selbstverständlich zu beachten, also die Privatsphäre mit den entsprechenden Einstellungen schützen. Und ganz wichtig: Vorsicht beim Einfügen von Fotos und Videos ins Netz! Damit gibt man unter Umständen eine Menge preis.

Was können Betroffene, Eltern und Schulen unternehmen? Trenz: Zunächst einmal: darüber sprechen und zuhören. Sehr wichtig sind auch die Mitschülerinnen und Mitschüler, die den Fall mitbekommen, sich aber aus Angst nicht einmischen wollen. Es hilft, wenn sie sich nicht an den Gemeinheiten beteiligen und die "Gemobbten" unterstützen. Die Betroffenen sollten auf Beleidigungen und Provokationen nicht antworten, da der Versender genau dies beabsichtigt. Soweit der "Mobber" bekannt ist, sollte man den Namen aus der eigenen Kontaktliste löschen. Viele Handyanbieter und Betreiber sozialer Netzwerke bieten an, Cybermobbing-Vorfälle zu melden. Nach der Überprüfung können die Betreiber illegale Inhalte und auch die Profile sperren oder ganz löschen. Es empfiehlt sich auch, Kopien von den beleidigenden Inhalten zu machen. Das dient nachher dem Nachweis.

Was sagt das Strafrecht zum Cybermobbing? Trenz: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Oft handelt es sich bei den Cyber-Attacken um Straftaten, die man bei der Polizei anzeigen kann. Das hat mit erlaubter Meinungsäußerung nichts mehr zu tun, da werden Persönlichkeitsrechte zum Teil massiv verletzt, zum Beispiel das Recht am eigenen Bild. Bei anonymen Aktionen kann die Polizei versuchen, über die Betreiber der Netzwerke den Urheber zu ermitteln.

Von wem kann man sich professionellen Rat holen? Trenz: Es gibt diverse Informations-, Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten – viele davon auch im Internet. In der AJS-Broschüre „Cyber-Mobbing“ kann man Einzelheiten erfahren. Sie kann auf unserer Seite bestellt werden:

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