Dem Glück auf der Spur

Manchmal fällt es uns einfach so zu und wir sind glücklich. Ganz ohne Grund und eigenes Zutun. Oder doch nicht? Wissenschaftler erforschen immer genauer, wie Glück entsteht und was wir selbst für ein erfülltes Leben tun können. MENSCH sprach darüber mit der Psychologin Judith Mangelsdorf von der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie.

Ist Glück tatsächlich erlernbar? Und wenn ja, wie lautet die Formel?

Ja, Glück ist zumindest in Teilen erlernbar. Wissenschaftler um die amerikanische Forscherin Sonja Lyubomirsky haben herausgefunden, dass etwa die Hälfte unseres Glückserlebens von unseren Genen abhängt. Etwa ein Zehntel unseres Glückes ist äußeren Umständen geschuldet, also beispielsweise der Frage, wie viel Geld wir verdienen und wo wir aufwachsen. Der Rest hängt von unserem Verhalten ab, und das können wir beeinflussen. Die vereinfachte Formel hieße also: Glück = 50 % Gene + 10 % Lebensumstände + 40 % Verhalten.

Was bedeutet das ganz praktisch?

Für viele Menschen liegt der Schlüssel zu mehr Lebensglück darin, überhaupt zu erkennen, was bereits gut an ihrem Leben ist. Dieser Perspektivwechsel hilft. Eine einfache Übung dazu: Während Sie sich morgens die Zähne putzen, überlegen Sie: „Worauf kann ich mich heute freuen?“ Und wenn Sie abends wieder vor Ihrem Spiegelschrank stehen, fragen Sie sich: „Wofür bin ich heute dankbar?“ Machen Sie diese Übung, die Sie keinerlei Zeit kostet, einen Monat lang jeden Tag. Und dann machen Sie eine Gewohnheit daraus. Forschung hat gezeigt, dass Menschen, die am Ende eines Tages – übrigens auch eines schlechten Tages – sich darauf besinnen, was gut war, wesentlich zufriedener sind.

Zum Leben gehören ja auch schwierige Zeiten dazu ...

Unbedingt! Hier liegt ein häufiges Missverständnis gegenüber der Positiven Psychologie. Genau genommen ist sie nicht die Wissenschaft des Glücks, sondern die Wissenschaft des gelingenden Lebens. In jedes Leben gehört auch Trauer und Wut. Die Frage ist: Wie gelingt es mir, diese Gefühle in mein Leben gut zu integrieren? Ein Spezialgebiet der Positiven Psychologie, in dem auch ich forsche, ist das Posttraumatische Wachstum. Forschung in diesem Bereich beschäftigt sich mit der Frage, wie wir aus den schwersten Erfahrungen unseres Lebens Sinn ziehen und an ihnen wachsen können. In Zusammenarbeit mit kirchlichen Trägern machen wir dieses Wissen zum Beispiel für Sterbende und Hinterbliebene nutzbar.

Was passiert beim Glückserleben im Gehirn? Können wir auch auf diese „chemische Seite des Glücks“ Einfluss nehmen?

Es gibt verschiedene „Glückshormone“ und Neurotransmitter. Die bekanntesten sind Dopamin, Endorphine und auch Oxytocin. Dopamin und Endorphine können auch als Belohnungsstoffe des Körpers angesehen werden. Oxytocin spielt vor allem in Beziehungen eine große Rolle. Die genaue Wirkung verschiedener „Glückshormone“ wird weiterhin erforscht. Die gesichertsten Befunde in diesem Bereich kommen aus der Sportforschung. Unser Körper schüttet beim Sport Dopamin aus, um uns zu sagen: Das tut mir gut! Diesen Umstand können Sie nutzen. Wenn Sie sich niedergeschlagen fühlen, bewegen Sie sich an frischer Luft. Ihr Körper und Gehirn werden es Ihnen danken.

Nun bin ich auch noch für mein Glück verantwortlich! Setzt das Menschen in unserer selbstoptimierten Gesellschaft nicht zusätzlich unter Druck?

Das ist eine interessante Frage. Hier ein Gleichnis: Wenn ich mitten auf der Autobahn eine Reifenpanne habe und nicht weiß, wie ich den Schaden beheben kann, bin ich hilflos. Ich bin quasi darauf angewiesen, dass jemand anderes kommt und mir aus meiner misslichen Lage hilft. Hätte ich das Handwerkszeug und Know-how, um das Problem selbst zu beheben, wäre ich handlungsfähig und nicht darauf angewiesen, dass jemand anderes es für mich löst. Ähnlich sehe ich das Wissen der Positiven Psychologie. Es gibt den Menschen Know-how und Handwerkszeug, um ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten. Wichtig ist dabei zu wissen, dass es manchmal so schwere Pannen gibt, dass ich mir allein auch mit Handwerkszeug nicht helfen kann. Für das eigene Glück (mit-)verantwortlich zu sein, ist aus Sicht der Positiven Psychologie eher etwas Ermächtigendes.

Die Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie bildet Coaches, Therapeuten, Berater und Trainer aus, um die Positive Psychologie in den verschiedensten Arbeitsbereichen umzusetzen. Mehr dazu unter: www.dgpp-online.de

Die fünf Säulen des Glücks
nach dem PERMA-Modell von Martin Seligman

Positive Emotionen (Positive emotions): Wie häufig erleben wir Momente des Glücks?

Engagement (Engagement): Gehe ich einer Tätigkeit nach, in der ich Flow erlebe und meine Stärken einsetzen kann?

Beziehungen (Relationships): Gibt es in meinem Leben tragende unterstützende Beziehungen?

Lebenssinn (Meaning): Habe ich einen Sinn, dem ich mein Leben widme?

Erfolg (Accomplishment): Bin ich erfolgreich in dem, was ich tue?

Neben diesen von Seligman eingeführten Säulen des Glücks wird auch Gesundheit häufig als ein zentraler Glücksaspekt benannt.

Positive Psychologie

Die Positive Psychologie hat das Ziel, Stärken und Ressourcen von Menschen zu fördern. Es ist ein Sammelbegriff für Theorien und Forschungen zur Frage, was das Leben lebenswerter macht. Einer der Begründer ist der amerikanische Psychologe Martin Seligman. Er bemängelte, dass sich die Psychologie zu sehr auf negative Emotionen und die Bekämpfung psychischer Krankheiten konzentriert.