Lernen mit allen Sinnen

Waldkindergärten: Bei Wind und Wetter an der frischen Luft
„Ein Garten, in dem Kinder individuell wachsen und gedeihen können, damit sie stark werden wie ein Baum.“ Das klingt ein bisschen wie aus einer anderen Welt. In gewisser Weise stimmt das auch, denn das Zitat beschreibt etwas von der Philosophie der Waldkindergärten, die seit den 1990er-Jahren einen anderen Weg in der Vorschulerziehung gehen. MENSCH schaute hinter die Kulissen einer solchen Einrichtung.

Der Waldkindergarten in Bielefeld-Quelle

Der Waldkindergarten in Bielefeld-Quelle ist einer von etwa 1.000, die es in Deutschland derzeit gibt – so ganz klein ist diese „Bewegung“ also gar nicht. Ausschlaggebend für die Gründung vieler Einrichtungen dieser Art war der starke gesellschaftliche Wandel, der nach Ansicht kritischer Beobachter im Laufe der Zeit zu einer Beeinträchtigung der Erfahrungsmöglichkeiten von Kindern führte. Das Areal, auf dem sich der Kindergarten in Bielefeld-Quelle befindet, lässt deshalb schon erahnen, worin die Intention besteht. Ein Tipi fällt sofort ins Auge, dazu ein paar Buden aus Holz. Und ein Garten, der im Frühjahr beackert wird, ist auch vorhanden. „Wir haben hier ein 3.000 Quadratmeter großes Grundstück und ein kleines Stück entfernt ein sehr großes Waldgebiet am Fuße des Teutoburger Waldes, das wir intensiv nutzen“, erläutert Kindergarten-Leiterin Friederike Stoye. Das tun die 20 Kinder und ihr Betreuerinnen-Team dann auch fast jeden Tag, denn der Wald bedeutet für sie Vielfalt in ihrer spannendsten Form. Farben, Geräusche, Kälte, Wärme, Stacheln, Weiches, Glattes, Glitschiges, Raues, Feuchtes, Süßes, Saures, Bitteres, Bäume, Äste, Berge, Täler, Felder, Tiere, Pflanzen – all das nehmen die Kinder im Waldkindergarten mit all ihren Sinnen wahr, wie Friederike Stoye erklärt.
Ein Holzhaus bietet Rückzugsmöglichkeiten für den seltenen Fall, dass es draußen einmal unerträglich sein sollte. Frühstück und Mittagspause finden in der kalten Jahreszeit bzw. bei unter 5 °C ebenfalls hier drinnen statt. Ansonsten spielen die Kinder bei Wind und Wetter an der frischen Luft. Dies ermöglicht es den Kleinen, den jahreszeitlichen Rhythmus direkt wahrzunehmen. Und das ungefiltert und ohne künstliches Beiwerk. Abgesehen von einigen wenigen Werkzeugen wird völlig auf vorgefertigtes Spielzeug verzichtet. Stoye: „Die Natur ist gerade für Stadtkinder kaum noch erlebbar. Wo gibt es noch Raum, in dem Kinder sie selbst sein dürfen? Der Waldkindergarten ist eine Möglichkeit, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken.“

Der Kindergarten in Bielefeld-Quelle wird von einer Elterninitiative getragen. Der im November 2002 gegründete „Waldkindergarten Bielefeld e. V.“ betrieb zunächst eine privat finanzierte Spielgruppe. Im Sommer 2005 wurde daraus eine anerkannte, geförderte Kindergartengruppe am jetzigen Standort. Die Queller sind Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband und erhalten hier Beratung und Unterstützung in allen organisatorischen und pädagogischen Fragen. Der Verein ist außerdem Mitglied im Landesverband Natur-und Waldkindergärten in Nordrhein-Westfalen, der in speziellen Fragen der Waldpädagogik und der Struktur der Waldkindergärten unterstützend tätig ist. „Die Natur bietet dem Kind ein differenziertes Lernen ohne Reizüberflutung an“, bringt Friederike Stoye die besondere Intention der Waldkindergärten noch einmal auf den Punkt. „Sie selbst hält unmittelbares Anschauungsmaterial bereit, sodass Jahreszeiten, Pflanzen, Tiere, Leben, Tod, Umweltschutz, Wetter etc. wie von selbst zu Themen werden und den Kindern direkt gleichsam natürlich vermittelt werden können.“
» www.waldkindergarten-bielefeld.de

 

 

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