Medizin ist Beziehungskunst

Dr. Cornelia Buldmann und Jörn Buldmann sind Fachärzte für Allgemeinmedizin und führen eine hausärztlliche Gemeinschaftspraxis in Bielefeld. Sie sind auf Anthroposophische Medizin spezialisiert, die auf eine ganzheitliche Herangehensweise setzt.

Ärzten wird oft der Vorwurf gemacht, dass sie zu wenig mit ihren Patienten sprechen, und dies zudem noch in unverständlichen Worten. MENSCH fragte bei Dr. Cornelia Buldmann und Jörn Buldmann nach, die eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis in Bielefeld führen.

Interviewer: "Viele Apparate, wenig Zuwendung – hat sich die Medizin in eine falsche Richtung entwickelt?"
Dr. Cornelia Buldmann: "Grundsätzlich ist das wohl in diese falsche Richtung gelaufen. Wir als Hausärzte haben allerdings nicht allzu viele Apparate, der Patient erwartet das auch nicht unbedingt von uns. Unsere Hauptinstrumente sind das Gespräch und die Untersuchung mit den Händen. Damit decken wir das meiste ab. Wir sind natürlich auch Wegweiser zu den Fachärzten. Dort ist dann häufig mehr Technik im Einsatz, je nachdem um welche Fachrichtungen es sich handelt."
Jörn Buldmann: "Medizin ist keine Naturwissenschaft, sondern eine Beziehungskunst, das darf man bei allem Technikeinsatz nicht vergessen. Vieles läuft im nicht messbaren Bereich ab. Deshalb kommt der Zuwendung auch eine solche Bedeutung zu. Da sind wir als Hausärzte sicher im Vorteil, weil wir „chronische Ärzte“ sind, das heißt, wir kennen unsere Patienten oft sehr lange. Und ihre Krankengeschichten auch, die ja in der Regel mehr beinhalten als nur das Feststellen und Behandeln irgendwelcher Symptome. Man muss deshalb nicht unbedingt jedes Mal viel sprechen. Worte können bekanntermaßen einen starken Einfluss auf den Menschen ausüben."

Interviewer: "Wie wichtig ist Sprache in der Medizin? Schließlich empfängt der Arzt seinen Patienten ja in einem „Sprechzimmer“ … "
Jörn Buldmann: "Sprache ist sicher sehr wichtig, steht aber nicht für sich allein. Deshalb ist der Begriff der „sprechenden Medizin“ eigentlich zu kurz gegriffen. Beziehungsmedizin trifft es besser. Aus Beziehung entsteht Wirksamkeit."
Dr. Cornelia Buldmann: "Es kann auch sinnvoll sein, als Arzt zunächst zu schweigen. Jede Eröffnungsfrage impliziert unter Umständen schon eine Richtung. Wenn ich dann nichts sage, bringe ich den Patienten vielleicht dazu, die Initiative zu ergreifen und das loszuwerden, was ihn wirklich bewegt. Das muss gar nicht lange dauern. Mangelnde Zuwendung zum Patienten ist nicht unbedingt ein Zeitproblem. Wenn man es geschickt anstellt, können unter Umständen auch fünf Minuten schon reichen, um den Knackpunkt zu erkennen. Dazu muss man allerdings auch auf das „hören“, was nicht gesagt wird – auf den Eindruck, auf Stimmungen, auf die Lebendigkeit und so weiter."

Interviewer: "Welchen Schaden kann Sprache anrichten?"
Dr. Cornelia Buldmann: "Ich muss als Arzt immer darauf achten, wie ein Patient sich selbst erlebt. Wenn jemand kommt und sagt, ihm tue die Schulter weh, ich bei der Untersuchung aber nichts feststellen kann, dann sollte man ihn nicht mit der Feststellung nach Hause schicken: „Sie haben nichts!“ Es gibt einerseits einen objektiven Befund, andererseits aber auch eine subjektive Tatsache. Mit dem Patienten stimmt etwas nicht, also muss ich meinen Blick öffnen und meine Wahrnehmung verfeinern. Man sollte als Arzt also sehr genau auf seine Wortwahl achten … "
Jörn Buldmann: "Richtig! Kürzlich hatte ich eine junge Frau bei mir in der Sprechstunde, die einen sehr bedrückten Eindruck machte. Der Grund: Ihre Gynäkologin hatte bei ihr eine Zwillingsschwangerschaft festgestellt und ihr daraufhin vorgetragen, was dabei alles Schlimmes passieren könne, statt ihr zu sagen, dass sie in „guter Hoffnung“ sei – und das gleich doppelt. Die deutsche Sprache hat dafür ja eine schöne Umschreibung. In einem solchen Fall mit seinen Worten Angst zu erzeugen, ist unverantwortlich. Zu einer guten Kommunikation gehören immer zwei."

Interviewer: "Was raten Sie Patienten? Wie gehen sie am besten in ein Gespräch mit einem Arzt?"
Dr. Cornelia Buldmann: "Sie sollten sich gut vorbereiten, und das durchaus auch mit einem Spickzettel. Da steht dann aber letztlich vielleicht gar nicht das Entscheidende drauf. Das herauszufinden, ist dann die gemeinsame Aufgabe."

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