Nicht ohne mein Handy

Der Umgang mit Smartphone, Tablet und Co. ist in vielen Familien ein Reizthema. Chatten, spielen, YouTube-Videos gucken: Online sein gehört für Jugendliche zum Alltag dazu. Viele Eltern treibt das zur Verzweiflung, denn schnell wird aus dem Spaß ein Übermaß an Medienkonsum. Doch wie kann ein bewusster und gesunder Umgang mit Smartphone, Tablet und Co. erlernt werden?

Spätestens mit der weiterführenden Schule kommt das Thema auf Familien zu. „In meiner Klasse haben alle ein Smartphone“, quengelt der Nachwuchs. Die meisten Eltern geben irgendwann nach, schließlich wollen sie nicht, dass ihr Kind zum Außenseiter wird. Doch wer seinem Kind ein Handy kauft, muss ihm auch helfen, damit umzugehen, fordert Sabine Schattenfroh von der Initiative „Eltern und Medien“ der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen. Für die Medienpädagogin sind Smartphone und Tablet vergleichbar mit einem Werkzeug, wie Hammer oder Bohrmaschine. „Wenn unsere Kinder die in der Hand hätten, wären wir viel strenger.“

Gefahren des Medienkonsums

Dabei können Kinder auch in der virtuellen Welt Schaden nehmen. Schattenfroh kennt Grundschüler, die über WhatsApp angsteinflößende Drohkettenbriefe erhalten oder beim Surfen auf Seiten mit Gewalt oder pornografischen Inhalten landen. „Das Netz bietet Kindern wunderbare Spielwiesen und Möglichkeiten. Aber es gibt auch dunkle Ecken und Gefahren wie Cybermobbing oder Datenmissbrauch. Das sollten Eltern wissen.“

Schon das tägliche „On-Sein“ überfordert manche Jugendliche. Die Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen hat 8- bis 14-Jährige zum Smartphone befragt und festgestellt: Fast jedes zweite Kind fühlte sich durch das Handy permanent bei den Hausaufgaben abgelenkt. Ein Viertel der Befragten gab Kommunikationsstress an. Aus Angst, eine Nachricht zu verpassen, liegt bei manchen das Handy sogar nachts neben dem Bett. Kinderärzte warnen schon lange vor gesundheitlichen und psychischen Problemen durch zu viel Medienkonsum. Kopf- oder Rückenschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten oder psychische Verstimmungen können die Folge sein.

Doch die Sogwirkung des Internets ist groß, und mit dem Smartphone ist es immer überall zugänglich, weiß Frank Gauls, Leiter der Ambulanten Suchthilfe Bethel. Die größte Gefahr geht für ihn derzeit von Spielen aus. „Viele Online-Spiele verleiten dazu, stundenlang weiterzumachen und aktivieren dabei noch das Belohnungszentrum im Gehirn. Das macht es so schwer, davon loszukommen.“ Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hält mittlerweile 5,8 Prozent der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren für internetabhängig. Das ist offiziell noch keine anerkannte Sucht, aber die Folgen sind ähnlich: Schule, Freunde und Freizeitaktivitäten werden vernachlässigt, Konflikte in Kauf genommen, um online zu sein. Verbote helfen nicht weiter, sagt Frank Gauls. „Die meisten sind auch nicht gleich gefährdet, weil sie im Internet sind. Aber Kinder müssen lernen, wie sie mit dem Netz umgehen.“

Medienkompetenz als Lösung

Medienkompetenz ist das Schlüsselwort. Für Sabine Schattenfroh heißt das, dass sich auch Eltern informieren und mit den neuen Medien auseinandersetzen müssen. Ihr Tipp: Eltern und Kinder sollten bei Bedarf gemeinsam einen Handy-Nutzungsvertrag mit festen Regeln und Handyzeiten abschließen. Vereinbart werden kann zum Beispiel, welche Daten, Fotos und Videos verschickt werden dürfen und welche nicht oder dass bestimmte Räume handyfrei bleiben sollen. Das Wichtigste aber sei, dass Eltern mit ihren Kindern im Gespräch bleiben und ihnen das Gefühl vermitteln: Ich kann mich immer an Mama, Papa oder eine Vertrauensperson wenden, auch wenn ich etwas Kritisches im Internet erlebt habe.

So begleiten Eltern ihre Kinder im Netz:
• Mit Kindern im Gespräch bleiben und sich selbst fit machen, zum Beispiel auf www.schau-hin.info oder www.klicksafe.de
• Filtersoftware und Zeitbegrenzung installieren
• Einen Handy-Nutzungsvertrag mit festen Regeln und Handyzeiten aufstellen, Vorlagen gibt es unter www.internet-abc.de
• Faustregel für Mediennutzung: Pro Lebensjahr zehn Minuten am Tag. Bei Kindern ab zehn Jahren können Eltern ein Wochenkontingent bis zu neun Stunden vereinbaren.
• Kindgerechte Suchmaschinen wie www.blinde-kuh.de oder www.fragfinn.de sind zu bevorzugen. Auch für Chats gibt es kindgerechte Seiten.
• Eltern sind Vorbilder und sollten das eigene Medienverhalten hinterfragen: Wie oft checke ich WhatsApp? Schaue ich lieber aufs Handy als mit meinem Kind zu spielen oder zu reden? Benutze ich Tablet und Co. als Babysitter?

App „Menthal“ zeigt Handynutzung

Wie häufig wir auf unser Handy schauen, ist vielen nicht bewusst. Forscher der Universität Bonn haben darum die kostenfreie und anonyme App „Menthal“ entwickelt, die das eigene Smartphone-Verhalten erfasst. Auswertungen zeigen, dass sich etliche Nutzer täglich zwei, drei Stunden oder mehr mit dem Handy beschäftigen. Noch kritischer sieht das Teammitglied Prof. Christian Montag die permanente Unterbrechung und Ablenkung. In einer Pilotstudie griffen Teilnehmer im Schnitt alle zwölf Minuten zum Handy. „Unser Alltag wird fragmentiert, die Konzentrationsfähigkeit leidet“, warnt der Psychologe. Doch der Reiz ist groß: Jedes Mal, wenn wir eine App anklicken oder eine Nachricht bekommen, werden im Gehirn Botenstoffe wie Dopamin ausgeschüttet, die uns in freudige Erwartung versetzen. Für Montag ist das Smartphone eine Art „Glücksspielautomat in der Jugendliche und junge Erwachsene verbringen rund 22 Stunden wöchentlich mit Computerspielen oder nutzen das Internet privat, also nicht im Zusammenhang mit Schule, Universität oder Arbeit. Dabei spielt das Smartphone mit 77,1 Prozent als Zugangsweg ins Internet die größte Rolle.

Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung