Hildegard von Bingen – Pionierin der Klostermedizin

Hildegard von Bingen zählt zu den bekanntesten Frauen des Mittelalters. Die Äbtissin des Benediktinerinnenklosters auf dem Rupertsberg bei Bingen schuf ein natur- und heilkundliches Werk, das noch heute zu den bedeutendsten Zeugnissen der sogenannten Klostermedizin zählt. Obwohl sie glaubte, dass allein Gott heilt, empfahl sie zur Stärkung des Leibs im Krankheitsfalle die Einnahme von Heilmitteln.

Kostprobe gefällig? Gegen Migräne zum Beispiel, an der sie den Überlieferungen zufolge selbst zeitlebens litt, bevorzugte sie ein ganz feines Pulver aus Aloe- und Myrrhenwurzel.  „Man nehme Weizenmehl und Mohnöl dazu und stelle daraus eine Art Teig her, bestreiche das ganze Haupt bis zu den Ohren und dem Halse damit, ziehe eine Mütze darüber und lasse den Teig drei Tage und Nächte lang liegen“, so ihr Ratschlag.

Neben heilsam wirkenden Medikamenten aus Mineralien und Tiersubstanzen, nehmen die pflanzlichen Mittel mit etwa 300 Arten den größten Raum in ihrer berühmt gewordenen Schrift „Causae und curae“ (Ursachen und Behandlungen) ein.

Früher ganzheitlicher Ansatz

Die Anwendung der Heilmittel war für Hildegard von Bingen jedoch nicht allein entscheidend für die Gesundheit eines Menschen. Die Wiederherstellung verlangte vielmehr die Mitwirkung der ganzen Person. Wenn viele ihrer Therapievorschläge im Abstand von fast einem Jahrtausend auch eher befremdlich wirken, ist ihr Verdienst, das kloster- und volksmedizinische Wissen ihrer Zeit zusammengetragen zu haben, doch unbestritten. Auch ihr ganzheitlicher Ansatz klingt ungewöhnlich modern. Im Zusammenhang mit der Naturheilbewegung erlebten die Ideen Hildegard von Bingens eine gewisse Renaissance. Naturheilverfahren nehmen neben der Schulmedizin einen immer größeren Stellenwert ein. Der Wunsch nach ganzheitlicher medizinischer Betrachtung, das Einbeziehen von Seele und Geist im Einklang mit dem Körper, hat zugenommen. Da schwingt auch ein bisschen die Intention der berühmten Äbtissin mit.

Alternative Medizin mit Küchengewürzen

Als Nonne kannte sich Hildegard von Bingen mit Heilkräutern aus, waren doch die Klöster berühmt für ihre Kräutergärten. Eine wichtige Rolle in der Hildegard-Medizin spielen die Gewürze Galgant, Bertram und Quendel. Sie sollen laut Hildegard von Bingen möglichst täglich verwendet werden und sind in unserer Zeit viel zu wenig bekannt.

Heute weiß man, dass besonders der echte Galgant, die botanische Bezeichnung lautet „Alpina Galanga“,ein sehr wirksamer Lebensbegleiter sein kann. Galgant als alternative Medizin wirkt verdauungsfördernd, fiebersenkend, schmerzlindernd, krampflösend und soll sogar eine antivirale Wirkung haben. Daher empfehlen Heilpraktiker zur Stärkung des Immunsystems in Grippe- und Erkältungszeiten, einmal täglich eine Messerspitze Galgantpulver in einem Glas Himbeersaft zu trinken. Auch der Himbeere sagt man bekanntlich eine antibakterielle und -virale Wirkung nach.

Über Bertram weiß man heute vergleichsweise wenig, außer dass er reinigend und stärkend wirkt. Hildegard von Bingen empfahl Bertram wegen seiner verdauungsfördernden und säftereinigenden Wirkung. Außerdem schätzte sie ihn für seine unterstützende Wirkung bei Lungenleiden, Herzleiden und Magenproblemen.

Quendel wird auch der wilde Bruder des Thymians genannt. Er wirkt antibakteriell, fördert die Hautdurchblutung und wird gegen Neurodermitis und andere Hautausschläge empfohlen, somit wirkt er ähnlich wie der uns bekannte Thymian. Außerdem soll sich mit der Einnahme von Quendel, laut Hildegard von Bingen, „das Gehirn besser befinden“.

Lebensweg

Hildegard von Bingen wurde 1098 als letztes von zehn Kindern bei Alzey/ Rheinhessen geboren. Mit acht kam sie zu den Benediktinerinnen auf dem Disibodenberg. Dort reifte sie zu einer hochgebildeten Persönlichkeit heran. Mit 38 Jahren wurde sie Leiterin des Frauenkonvents. 1150 zog sie in das neu gegründete Kloster Rupertsberg bei Bingen, wo sie im Alter von 81 Jahren starb. Schon zu Lebzeiten wurde Hildegard von Bingen wie eine Heilige verehrt. So wurden ihr auch Wunderheilungen nachgesagt. Im liturgischen Kalender der katholischen Kirche ist der 17. September als Hildegards Gedenktag verzeichnet. Trotz viermaliger Prüfung ist sie jedoch nie formell vom Vatikan heiliggesprochen worden.