Impfen: Auch ein Akt der Solidarität

Hilke Bertelsmann ist Rektorin und Professorin für Gesundheitswissenschaften an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld. Die promovierte Biologin gehört seit 2011 der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert Koch Instituts an. Im Gespräch mit MENSCH erläutert sie, wie sie zum Impfen steht.

Wie muss man sich die Arbeit der Impfkommission vorstellen?

Sie besteht aus insgesamt 18 Mitgliedern, die meisten kommen aus der Medizin. Die STIKO erarbeitet Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen in Deutschland und berät den Öffentlichen Gesundheitsdienst sowie die Ärzteschaft zur Durchführung von Impfungen. Dabei werden Nutzen und Risiken sehr genau gegeneinander abgewogen. Ich gehöre seit 2011 dazu.

Worin liegt Ihr Arbeitsschwerpunkt in der STIKO?

Ich bin Methodikerin, das heißt, ich beschäftige mich schwerpunktmäßig damit, wie Entscheidungen auf der Basis bester wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen werden können.

Welche Impfungen sind aus Ihrer Sicht unerlässlich?

Als Erwachsener sollte man sich alle zehn Jahre gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und Kinderlähmung impfen lassen, sowie einmal gegen Masern, Mumps und Röteln. Die Grippeschutzimpfung ist für bestimmte Personenkreise ebenfalls empfehlenswert. Eine Tetanus-Impfung zum Beispiel ist schon aus persönlichen Gründen ratsam, denn Wundstarrkrampf endet meist tödlich. Die anderen Krankheiten übersteht man als gesunder Mensch wahrscheinlich einigermaßen unbeschadet, aber man steckt unter Umständen geschwächte Personen an, zum Beispiel kleine Kinder. Impfen ist also immer auch ein Akt der Solidarität. Im Januar 1869 haben Pastor Friedrich von Bodelschwingh und sein Frau Ida ihre vier Kinder innerhalb von 14 Tagen an Diphtherie verloren. Auf dem Friedhof in Bethel findet man eine Gedenktafel an sie. Impfungen bewahren uns heute vor solch fürchterlichen Schicksalen.

Wie oft passiert durch Impfungen etwas?

Gravierende Folgen sind sehr, sehr selten. Auf manche Impfungen reagiert der Körper mit leichtem Fieber. Das geht aber dann auch schnell wieder weg.

Gibt es in Deutschland noch große Impflücken?

Bei Masern gibt es Lücken. Ungefähr die Hälfte der Erkrankungen tritt heute bei Jugendlichen und Erwachsenen auf, die nicht geimpft sind. Kinder sind dagegen in der Regel recht gut geschützt. Der Grippeschutz beim Gesundheitspersonal ist auch längst nicht so verbreitet, wie wir uns das wünschen würden. Dadurch können die stärker gefährdeten alten und kranken Menschen angesteckt werden.

Wann ist Vorsicht geboten, wann sollte man also besser auf eine Impfung verzichten?

Wenn man gesundheitlich angeschlagen ist, etwa durch eine Infektionskrankheit. Menschen mit einem stark geschwächten Immunsystem sollten ebenfalls vorsichtig sein.

Könnten die großen Flüchtlingsbewegungen zum Problem werden?

Ja, die Situation ist eine große Herausforderung. Viele Menschen kommen ungeimpft oder mit einem unklaren Impfstatus zu uns, weil die entsprechenden Systeme in den Heimatländern nicht mehr funktionieren. Sie müssen dann schnell geimpft werden. Zum Glück sind größere Probleme bislang ausgeblieben.

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