Multitasking – eigentlich geht das gar nicht!

Wer mehrere Dinge gleichzeitig erledigen kann, der arbeitet effizient und ist den Kollegen voraus. Das weibliche Geschlecht gilt auf diesem Gebiet als besonders talentiert. Das ist jedoch eher Mythos. Der Begriff Multitasking kommt ursprünglich aus der Computerwelt und bezeichnet die Fähigkeit eines Betriebssystems, gleich mehrere Aufgaben (Tasks) parallel ausführen zu können. Das Gehirn des Menschen ist dazu jedoch nur bedingt in der Lage, genau genommen sogar gar nicht. In der Psychologie hat man herausgefunden, dass die Menschen eigentlich nur eine Aufgabe auf einmal bearbeiten können, stellt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in ihrer Studie „Arbeitsunterbrechungen und Multitasking in informationsintensiven Berufen“ fest. Müssen verschiedene Informationen verarbeitet werden, so die Erkenntnis, wechseln wir bewusst oder unbewusst zwischen den Aufgaben hin und her. Dieses Hin- und Herschalten erfolgt im Millisekundenbereich und wird deshalb als gleichzeitig wahrgenommen. Tatsächlich wird aber ein Vorgang nach dem anderen bearbeitet. Einfache Informationen können durchaus gleichzeitig wahrgenommen werden. Sobald wir jedoch reagieren und entscheiden müssen, funktioniert das Parallelkonzept nicht mehr, dann wird aus dem Nebeneinander ein Nacheinander. Das bestätigt auch eine Studie des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG). Demnach können parallel erledigte Zweitaufgaben sogar zur Gefahr werden: Je mehr Aufmerksamkeit die weitere Aufgabe verlange, desto weniger widme man sich der primären Aufgabe. Ob man der falschen Aufgabe den Vorzug gegeben hat, merkt man häufig erst, wenn ein Fehler passiert, heißt es weiter.

Stress durch Multitasking

Der Klassiker, Auto fahren und gleichzeitig telefonieren, kann beispielsweise dazu führen, dass man sich nicht mehr auf die Tätigkeit des Fahrens konzentriert und möglicherweise zu spät abbremst und oder bei Rot über eine Ampel fährt (siehe auch Interview). Es nehmen aber nicht nur die Fehler beim Multitasking zu, auch die psychische und körperliche Beanspruchung steigt. Dazu die Versuchsleiterin Dr. Hiltraut Paridon: „Wer mehrere Aufgaben gleichzeitig bewältigen muss, erhöht damit seinen Stress und macht Fehler. Das ist weder für den Einzelnen gut, denn er schadet damit seiner Gesundheit. Noch ist es gut für das Unternehmen, denn bei Stress geschehen mehr Unfälle und die sind teuer.“ Auch die gängige Meinung, dass Frauen besser für Multitasking geeignet sind, widerlegt die Studie. Wer versuche, verschiedene Dinge gleichzeitig zu erledigen, büße nicht nur Leistungsfähigkeit ein, sondern erhöhe situationsbedingt sogar das Unfallrisiko – das gelte gleichermaßen für Mann, Frau, Jung oder Alt. Experten raten, für eine sichere und effektive Arbeit, Aufgaben möglichst nacheinander zu erledigen und sich Zeitfenster zu schaffen, in denen zum Beispiel das Mail-Programm geschlossen bleibt und Kollegen oder Anrufbeantworter das Telefon übernehmen. ls Wahrheit, wie sich bei genauerer Betrachtung herausstellt.

Die wesentlichen Ergebnisse der Studie „Arbeitsunterbrechungen und Multitasking in informationsintensiven Berufen“ sind in der Broschüre „Bitte nicht stören!“ zusammengefasst. Man kann sie auf der Homepage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin herunterladen: >> www.baua.de

Multitasking hinterm Steuer kann besonders gefährlich werden

„Wenn Autofahren zur Nebensache wird …“

Autofahren gilt als Multitasking pur. Neue Risiken ergeben sich heutzutage vor allem durch den Einzug der Kommunikationstechnologien in die Fahrzeuge. Was man generell bedenken sollte, erläutert Katrin Sießl vom Automobil- und Verkehrssicherheitsclub BAVC im MENSCH-Gespräch.

Wie multitaskingfähig sind wir beim Autofahren? Sießl: Steuern, kuppeln, Gas geben, Verkehrsteilnehmer, Schilderwald und Witterung beachten – eigentlich sind wir für dieses Multitasking gar nicht geschaffen. Auch wenn es sich so anfühlt: Das Gehirn erledigt Aufgaben nicht gleichzeitig, sondern nacheinander. Dabei schaltet es blitzschnell zwischen den Gehirnhälften hin und her, und das kostet Aufmerksamkeit. Bei Routineabläufen wird diese nicht allzu sehr beansprucht. Dafür sorgt, ähnlich wie beim Computer, unser Arbeitsgedächtnis. Doch je mehr wir gleichzeitig tun oder je intensiver wir uns auf eine Sache konzentrieren, desto schneller ist die Aufmerksamkeitsreserve aufgebraucht. Die Folgen: Wir können Wichtiges und Unwichtiges nicht mehr unterscheiden, wir reagieren langsamer, das Unfallrisiko steigt. Wie häufig passiert etwas? Sießl: Ablenkung ist für etwa zehn Prozent aller Unfälle verantwortlich. Essen, trinken, Navi einstellen, Kinder bespaßen ... Schon ein kurzer Blick zur Seite ist gefährlich: In nur einer Sekunde legen wir bei 80 km/h satte 22 Meter zurück, und zwar im „Blindflug“, ohne jede Reaktion. Auch das Telefonieren geht auf Kosten der Fahrleistung. Am Handy verzögert sich unsere Reaktionszeit um 0,5 Sekunden, unser Blickfeld verengt sich auf den Abstand zum Vordermann und wir verlieren den Überblick. Davor schützen auch Freisprechanlagen nicht unbedingt, maßgeblich ist die Konzentration aufs Gespräch. Ist die Landstraße sicherer? Sießl: Nicht nur im turbulenten Stadtverkehr, auch auf Landstraßen muss unser Gehirn besonders viel leisten. Hier kommen viele Dinge zusammen, die Aufmerksamkeit erfordern: Unterschiedlichste Verkehrsteilnehmer, Gegenverkehr, eingeschränkte Sicht durch Landschaft und Kurven – die Liste ist lang. Hier bleibt kein Raum für Ablenkung. Dennoch ereignen sich 60 Prozent aller tödlichen Unfälle auf der Landstraße. Unfallursache Nummer eins: Kontrollverlust über das eigene Fahrzeug wegen Unachtsamkeit, Fehleinschätzung und überhöhter Geschwindigkeit. Ein trauriger Beweis dafür, dass Multitasking Grenzen hat. Welche Einflussfaktoren spielen außerdem eine Rolle? Sießl: Rund ein Fünftel aller Arzneimittel schränken das Konzentrations- und Reaktionsvermögen ein – von Alkohol und Drogen ganz zu schweigen! Erschöpfung, Schlafmangel, Krankheit oder ganz einfach unser Formtief tragen außerdem dazu bei. Schneller als man denkt kommt es zum berüchtigten Sekundenschlaf, der für 20 bis 25 Prozent aller schweren Unfälle verantwortlich ist. Wie kann man das Multitasking-Risiko beim Autofahren senken? Sießl: Aufmerksamkeit ist eine begrenzte Ressource. Das heißt für uns: Wenn Autofahren zur Nebensache wird, wird’s gefährlich. Regeln Sie alles, was unterwegs ablenken könnte, bevor Sie den Anlasser betätigen: Aktentasche packen, Navi programmieren, Kleidercheck und so weiter. Fahren Sie stets ausgeruht los und konzentrieren Sie sich ganz auf die Straße und auf den Moment.

„Je mehr wir gleichzeitig tun, desto schneller ist die Aufmerksamkeitsreserve aufgebraucht.“

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