Physiotherapie – heilen durch Bewegung

Sich bewegen bringt Segen. Dieses abgewandelte Sprichwort beschreibt den Kern der Physiotherapie, früher auch schlicht Krankengymnastik genannt. Bei der Behandlung kommen die Patienten vor allem mit Bewegung der Heilung Schritt für Schritt näher.

Mit den neuen Modetherapieformen, wie der Osteopathie, ist für manche die jahrzehntelang angewandte und fundierte Erfahrung der Physiotherapie in den Hintergrund gerückt. Doch da gehört sie nicht hin, sie bietet nämlich nach wie vor die erfolgreichsten Anwendungen.

Einsatzfelder der Physiotherapie

Schon in der Antike wurde die positive Wirkung von Bewegung, Massagen und Bädern auf den Körper genutzt. Heute hat die Physiotherapie einen festen Platz in der Medizin und ist eine anerkannte Alternative oder Ergänzung zu Medikamenten und Operation. Das Einsatzspektrum ist groß und reicht vom Bandscheibenvorfall bis zur Schwangerschaftsgymnastik. Schon Säuglinge können behandelt werden, etwa bei angeborenen Fehlstellungen der Gelenke. Älteren Menschen hilft die Physiotherapie, Kraft und Beweglichkeit zu erhalten. Zusätzlich massieren Physiotherapeuten manchmal auch die verspannte Muskulatur und wenden Wärme, Kälte, Licht, Wasser oder elektrische Ströme an.

Der Oberbegriff „Physiotherapie“ umfasst eine Reihe unterschiedlicher Konzepte, die je nach Krankheitsbild zum Einsatz kommen. „Die Behandlung setzt direkt bei den Ursachen an, stärkt die Muskulatur, korrigiert Fehlhaltungen und lindert so Schmerzen. Das erfordert allerdings ein aktives Mitmachen der Beteiligten und viel Disziplin. Am erfolgreichsten ist die Therapie, wenn die Übungen zu Hause regelmäßig weiter geführt werden.“ Annika Führer, Leiterin des Physiotherapie-Bereichs im Zentrum für ambulante Rehabilitation (ZAR) in Bethel. Die Behandlung erfolgt oft ambulant in physiotherapeutischen Praxen. Aber auch in Krankenhäusern und Reha-Kliniken ist die Physiotherapie ein unverzichtbarer Bestandteil des Angebots. Nach Unfällen oder Operationen hilft die Krankengymnastik, wieder auf die Beine zu kommen. Schlaganfall-Patienten können mit den Übungen ihre Selbstständigkeit zurück erlangen. Auch bei Depressionen oder einem Burnout ist eine Behandlung angesagt.

Besonders geeignet ist die Physiotherapie beim Volksleiden Rückenschmerzen, das oft durch mangelnde Bewegung, Fehlbelastungen und Stress hervorgerufen wird. Bei rund 20 Prozent der Bevölkerung sind die Beschwerden bereits chronisch. Aber es muss erst gar nicht so weit kommen. Physiotherapeuten zeigen auch, wie Menschen im Alltag Gesundheitsproblemen und Fehlhaltungen vorbeugen können. Prävention ist – neben Therapie und Reha-Maßnahmen – das dritte große Arbeitsfeld der Physiotherapeuten.

Die Behandlungskosten werden zu einem großen Teil von der BKK Diakonie übernommen. Auch Präventionsprogramme werden bezuschusst.

„Hilfe zur Selbsthilfe“

MENSCH sprach mit Annika Führer, Diplom-Sportwissenschaftlerin und Physiotherapeutin. Sie leitet den Physiotherapie-Bereich im Zentrum für ambulante Rehabilitation (ZAR) in Bethel. Das ZAR ist ein Unternehmen der Helmut Nanz-Stiftung mit täglich etwa 300 Patientinnen und Patienten.

Was verbirgt sich hinter der Berufsbezeichnung Physiotherapeutin oder Physiotherapeut?

Führer: Auf jeden Fall ein spannender Beruf, bei dem man unmittelbar mit Menschen zu tun hat und bei dem es viele Erfolgserlebnisse gibt. Physiotherapeuten kennen sich mit jedem Muskel und dessen Funktion im menschlichen Körper aus. Häufig werden sie konsultiert, wenn der Heilungsprozess zusätzlich unterstützt werden soll, zum Beispiel nach einem Unfall oder einer Operation. Sie helfen aber auch dabei, Belastungsschäden vorzubeugen.

Was kann Physiotherapie?

Führer: Mit spezifischen Behandlungsmethoden begleiten Physiotherapeuten Menschen jeden Alters. Auch neugeborene Kinder zählen schon zu den Patienten. Zum Beispiel kann die Vojta-Therapie einem Säugling helfen, dessen Bewegungsentwicklung verzögert ist. Spielerisch lernen dann etwas ältere Kinder, wie sie ohne Muskelverspannungen den Schulalltag überstehen. Ein spezielles Training für die Muskeln des Beckenbodens beugt im fortgeschrittenen Alter einer chronischen Blasenschwäche vor. Bei einem akuten Bandscheibenvorfall erfährt der Patient durch manuelle Therapie und den Schlingentisch Entlastung und Schmerzlinderung. Ältere Menschen können beispielsweise nach einem Schlaganfall durch das Bobath-Konzept ihre gewohnte Selbstständigkeit zurückerlangen.

Was kann Physiotherapie nicht?

Führer: Wunder vollbringen. Aber Physiotherapeuten stehen natürlich nicht alleine da, sondern sind in der Regel Teil eines Teams. Sie arbeiten meist in enger Absprache mit Medizinern und nach ärztlicher Verordnung. Außerdem kommen oft verwandte Bereiche hinzu, also zum Beispiel Ergotherapie und Logopädie. In einer Einrichtung wie dem ZAR arbeiten diese Berufe Hand in Hand. Der Erfolg ist im Übrigen ganz entscheidend vom Patienten selbst abhängig. Wenn er das Erlernte nicht eigenständig auch zu Hause praktiziert, wird er sein Problem nicht lösen. Wir leisten also immer nur Hilfe zur Selbsthilfe.

Weitere Infos: www.zar-bielefeld.de