Schätze der Natur

Glaube und Aberglaube

In einigen katholischen Gegenden ist es noch heute Brauch, an Maria Himmelfahrt (15. August) Kräuter und Blumen in der Kirche weihen zu lassen. Die Kräuterbuschen sollen vor Krankheit und Unglück schützen, in einen Strauß gehören Pflanzen wie Johanniskraut, Baldrian, Kamille, Tausendgüldenkraut, Thymian, Wermut und – in die Mitte – eine Königskerze. Die Zeit von Maria Himmelfahrt bis zum 8. bzw. 15. September gilt zudem als besonders günstige Zeit, um Frauenkräuter zu sammeln und wird als „Frauendreißiger“ bezeichnet.

Apothekergärten in Deutschland

Wie blüht Arnika? Und wogegen hilft Eisenhut? Einblicke in die Welt der Heilpflanzen bieten Apothekergärten in ganz Deutschland. Anlagen gibt es in zahlreichen Städten, von Hamburg über Hannover und Gütersloh bis nach Bayern. Entstanden sind sie nach dem Vorbild alter Kloster- und Kräutergärten. Auch Kräuterführungen und Seminare werden vielerorts angeboten, um das Wissen über die heilenden Schätze der Natur lebendig zu halten.

Lavendel beruhigt, Weißdorn stärkt das Herz und Kamille lindert Bauchweh. Seit Jahrhunderten nutzen Menschen die heilende Kraft bestimmter Pflanzen und lindern damit viele gesundheitliche Beschwerden, von Hautentzündungen über Erkältungskrankheiten bis hin zu depressiven Verstimmungen.

Heilpflanzen und ihre Wirkung

Was Kräuterfrauen früher wussten, ist heute auch wissenschaftlich belegt: Vielfältige Inhaltsstoffe von Heilpflanzen wie ätherische Öle, Flavonoide, Gerb- und Bitterstoffe dienen der Gesundheit. Trotzdem lässt sich oft nicht genau sagen, welcher einzelne Stoff den heilsamen Ausschlag gibt. Es sei vielmehr die Pflanze in ihrer Komplexität und Gesamtheit, die wirksam ist, sagt Apothekerin Anke Fink. Das mache die Heilpflanzenkunde für sie so faszinierend – genauso wie die Mythen und Geschichten, die zum überlieferten Wissen dazugehören.

So wird das gelb blühende Johanniskraut im Volksmund Teufelsflucht oder Hexenkraut genannt – wohl weil die Menschen schon im Mittelalter feststellten, dass die Pflanze traurige Gedanken, die „Dämonen“, vertreibt. Tatsächlich hat sich Johanniskraut als pflanzlicher Stimmungsaufheller bewährt und wird bei leichten bis mittelschweren Depressionen eingesetzt. „Aber das Kraut kann noch mehr“, weiß Anke Fink. Das blutrote Öl wirkt entzündungshemmend und hilft innerlich eingenommen bei Verdauungsbeschwerden. Äußerlich ist es bei Wunden, Prellungen, Verbrennungen oder Muskelschmerzen angezeigt.

Die Ringelblume, Calendula officinalis, ist ebenfalls ein Balsam für Wunden und Haut. Die Inhaltsstoffe der orange-gelben Blüten sind wundreinigend und entzündungshemmend und werden zu Cremes und Tinkturen verarbeitet. Auch zur Pflege empfindlicher Kinderhaut bei Windeldermatitis und Milchschorf sind Salben mit Ringelblumenauszügen bestens geeignet. Als Tee hilft die Ringelblume bei gereiztem Magen, Gallenbeschwerden, Magen- und Darmgeschwüren. Eine Gurgellösung lindert – ähnlich wie Salbei – Hals-schmerzen und Entzündungen im Mund.

Wohltuend für Leber und Galle ist die Artischocke, deren Wirkung schon seit der Antike bekannt ist. Die distelartige Pflanze wirkt verdauungsfördernd, cholesterinsenkend und harntreibend. Die dekorativen lila Blüten haben allerdings nur eine geringe medizinische Bedeutung, erklärt Anke Fink. Für arzneiliche Zwecke werden die großen Grundblätter verarbeitet.

Als echtes „Frauenkraut“ gilt die Schafgarbe, die einen positiven Effekt bei vielen Frauenleiden und Menstruationsbeschwerden hat. Schafgarbe wirkt entzündungshemmend, entkrampfend und blutstillend und ist häufig auch Bestandteil von Magen- und Gallentees.

Bei Husten und Schnupfen kommen eine ganze Reihe von Heilpflanzen zum Zuge. Ist eine Erkältung im Anmarsch, bringt zum Beispiel ein Tee mit Linden- und Holunderblüten den Körper zum Schwitzen und regt die Abwehrkräfte an. Thymian und Spitzwegerich haben eine schleimlösende und antibakterielle Wirkung und sind Bestandteile vieler Hustentees. Spitzwegerich ist zudem ein probates Mittel gegen Insektenstiche: „Einfach ein Blatt mit den Fingern zerreiben und auf den Stich legen“, rät Anke Fink. „Das bringt Linderung!“

Verwendung mit Bedacht

Pflanzliche Arzneimittel sind im Allgemeinen gut verträglich, aber es sind Heilmittel und müssen als solche bewusst und mit Augenmaß eingesetzt werden, betont die Apothekerin. „Natürlich“ heißt nicht per se unbedenklich. So gibt es giftige Pflanzen wie den Fingerhut, einige Tees können auf Dauer die Leber belasten, wieder andere Heilpflanzen haben eine Wechselwirkung mit Medikamenten. So kann Johanniskraut die Wirksamkeit der Anti-Baby-Pille mindern, erklärt Anke Fink. Eine Therapie gehört darum immer in die Hand von Fachleuten.