Vorsicht, Behandlung!

Wo wohnen Sie?

Viel hilft nicht immer viel, das gilt auch für die medizinische Versorgung. In Deutschland wächst das Bewusstsein, dass so manche Behandlung nicht nur überflüssig ist, sondern sogar schädlich sein kann.
Besonders in der Kritik stehen unnötige Operationen. Längst nicht jeder Eingriff ist medizinisch begründet, warnen Experten. Die Bertelsmann Stiftung in Gütersloh hat in einer Studie zum Beispiel festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Operation auch vom Wohnort abhängt. So bekommen Menschen in Bayern häufiger ein neues Kniegelenk eingesetzt als Patienten in anderen Bundesländern. In einigen Landkreisen in Deutschland werden acht Mal so vielen Kindern die Mandeln herausgenommen wie andernorts. Und auch bei Kaiserschnitten, Gebärmutter- oder Gallenblasenentfernungen gibt es große regionale Unterschiede.

Viel hilft viel - nicht immer

Dabei bedeuten viele Operationen und Behandlungen nicht automatisch mehr Gesundheit für die Bevölkerung, im Gegenteil: Jeder Eingriff bringt neben dem erhofften Nutzen auch Risiken mit sich, jede unnötige Behandlung und jedes zusätzliche Medikament belasten den Patienten und kosten zudem Geld, das möglicherweise an anderer Stelle im Gesundheitssystem fehlt. Selbst Vorsorgeuntersuchungen sind nicht grundsätzlich immer nur gut. So wichtig es ist, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln – die Möglichkeiten vieler Tests werden oft überschätzt. Ein Beispiel ist der kostenpflichtige PSA-Test, der helfen soll, Prostatakrebs frühzeitig zu erkennen. Die Ergebnisse sind allerdings oft wenig aussagekräftig und können sogar einen falschen Alarm auslösen. Ängste, überflüssige Therapien und Operationen mit damit verbundenen Nebenwirkungen sind die Folge. Sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) wie der PSA-Test werden in Arztpraxen mittlerweile reihenweise angeboten. Rund 1,5 Milliarden Euro geben gesetzlich Versicherte pro Jahr für diese Extras aus, von der Eigenbluttherapie bis hin zur Ultraschalluntersuchung auf Eierstockkrebs. Der Nutzen ist oft umstritten.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Patienten sollten darum genau prüfen, ob das Zusatzangebot wirklich der Gesundheit dient. Mehr Aufklärung über Vor- und Nachteile ist auch bei anderen medizinischen Leistungen geboten. Mit der Qualitätsoffensive „Gemeinsam Klug Entscheiden“ will die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften das Problem der Überversorgung stärker in den Blick rücken. Vorbild sind Ärzte in den USA und der Schweiz, die seit Jahren unnötige medizinische Leistungen auflisten. In Deutschland sollen Ärzte jetzt ebenfalls fundierte Empfehlungen bekommen, um Patienten bedarfsgerechter zu versorgen. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin widmet sich dem Thema bereits intensiv und erarbeitet Hilfestellungen für Mediziner. Dabei sollen Ärzte auch gestärkt werden, etwas nicht zu tun, wenn sie es für richtig halten, sagt der Vorsitzende Prof. Michael Hallek aus Köln. „Als Ärzte ist es nicht nur unsere Pflicht zu behandeln, sondern auch Behandlungen zu unterlassen, wenn sie dem Patienten nichts nützen oder ihm sogar schaden könnten.“

 

Weitere Infos erhalten Sie auch bei den Krankenkassen oder auf der unabhängigen Plattform IGeL Monitor im Internet: www.igel-monitor.de

Gesundheit Online

Weitere spannende Themen aus unserem Bereich Gesundheit Online