Kleben Sie wohl: Die Welt der bunten Kinesio-Tapes

Bastian Schweinsteiger hatte sie schon, Lukas Podolski ebenfalls, sogar Glamourkicker David Beckham schwört drauf. Kinesio-Tapes heißen die bunten Klebestreifen auf Schultern, Rücken oder Waden, auf die längst nicht mehr nur Profisportler vertrauen. Mittlerweile ist das Kinesio-Tape aus der modernen Physiotherapie kaum mehr wegzudenken. Immer mehr Menschen, die unter akuten oder chronischen Schmerzen leiden, lassen sich mit den elastischen Tapes behandeln. Dabei sind die Anwendungsbereiche breit gefächert.

Vielfach einsetzbar

Kinesio-Tapes können immer dann eingesetzt werden, wenn bei Schmerzen Muskeln, Sehnen und Bänder im Spiel sind, beispielsweise bei Entzündungen, Muskel- und Sehnenüberreizung und Hämatomen, aber auch prophylaktisch, um Schmerzen vorzubeugen. Doch nicht nur Physiotherapeuten, sondern auch Osteopathen, Heilpraktiker oder auch Ärzte nutzen sie, um das Knie zu stabilisieren, Tennisarme zu kurieren oder verspannte Rücken zu entspannen. Auch bei Alltagsbeschwerden, wie Verspannungen, Muskelkater oder Blutergüssen, können Kinesio-Tapes dazu beitragen, wieder beschwerdefrei zu werden. Ebenso können sie unterstützend eingesetzt werden, wenn es darum geht, Schmerzen zu lindern. Auf diese Weise kann der Teufelskreis zwischen Schmerz, Verspannung und Fehlbelastung, der letztlich zu erneuter Schmerzentstehung führt, durchbrochen werden.

Aktivierung der Hautrezeptoren

Richtig geklebt entfalten sie ihre Wirkung vor allem über die Aktivierung der Hautrezeptoren: Durch die flexiblen Tapes wird die oberste Hautschicht angehoben, was dazu führt, dass die Durchblutung und der Lymphfluss in der darunterliegenden Gewebeschicht angeregt werden. Nährstoffe und Abwehrkörper können besser angeliefert, Abfallprodukte und Gewebewasser schneller abtransportiert werden. Zudem soll das Band einen neuen, permanenten Reiz auf der Haut ausüben, der sich mit schon länger bestehenden Schmerzreizen überlagert und diese dadurch positiv beeinflusst. Auf diese Weise unterstützen Kinesio-Tapes den Heilungsprozess – fungieren aber auch als Erinnerungspflaster. Der Muskel wird gewissermaßen daran „erinnert“, was er tun muss. So können beispielsweise Haltungsschäden ausgeglichen werden, indem das Tape „Schreibtischtäter“ an das aufrechte Sitzen erinnert.

Kinesio-Taping als Begleittherapie

Die Klebestreifen – 1979 von dem japanischen Chiropraktiker Dr. Kenzo Kase entwickelt – bestehen aus gewebter Baumwolle und sind mit einer hautfreundlichen Acrylkleber-Schicht versehen, die bewirkt, dass die Tapes auf der Haut haften bleiben. Damit sich die Bänder den menschlichen Konturen optimal anpassen können und die natürlichen Bewegungen nicht einschränken, sind sie hochelastisch konzipiert und äußerst atmungsaktiv. Kinesio-Tape kann über mehrere Tage getragen werden, Duschen und Schwimmen sind mit dem Band ohne Weiteres möglich. Obwohl sie mittlerweile in Apotheken, Sanitätshäusern oder im Internet erhältlich sind, raten Experten davon ab, sich selbst zu bekleben, denn zum Anlegen der Tapes müssen bestimmte Positionen/Haltungen eingenommen werden und in der Regel kommt der Patient dann nicht mehr entspannt an das zu behandelnde Gebiet am eigenen Körper. Außerdem sollten Anatomiekenntnisse vorhanden sein.

Generell ist Kinesio-Taping als eine begleitende Therapiemaßnahme zu sehen und keinesfalls als Ersatz für den Arztbesuch. Wenn unbekannte Schmerzen oder Beschwerden auftreten, sollte immer zuerst ein Arzt aufgesucht werden. Nicht geeignet ist die Behandlung bei offenen Wunden, Neurodermitis sowie bei Ödemen aufgrund von Herzproblemen oder Krampfadern.

Die Farbenlehre...

Rot, blau, pink, schwarz: Mit der Weiterentwicklung des Tapings wurden die unauffälligen hautfarbenen Pflasterstreifen bunt. Mittlerweile sind sie in zahlreichen Nuancen erhältlich. Doch ist die Farbe des Kinesio-Tapes tatsächlich relevant? Hier gehen die Meinungen auseinander. Während für einige Therapeuten die Farbe völlig unbedeutend ist, berufen sich die Befürworter auf die Lehre der Farbtherapie. So sollen rote und pinke Farbtöne vor allem aktivieren und Wärme erzeugen, blaue Nuancen dagegen entspannen und Kühlung verschaffen.

"Wer heilt, hat recht!"

Axel Berg arbeitet seit 25 Jahren in der Physiotherapie. Der Bielefelder wendet bei seinen Patienten regelmäßig Kinesio-Taping an. Wir befragten ihn nach seinen Erfahrungen.

Wie weit verbreitet ist das Taping inzwischen?

Zuerst hat man es nur bei Sportlern gesehen, dann wurde der Anwenderkreis allmählich weiter. Ich arbeite seit etwa zehn Jahren damit und kann eigentlich nur Positives darüber berichten.

Wenden Sie es häufig an?

Bei mir ist es eine ergänzende Behandlung. Mein Schwerpunkt liegt auf Sportphysiotherapie und Physiotherapie. Dazu passt es sehr gut.

Wann kommen die Tapes zum Einsatz?

Sie helfen bei Verspannungen, verbessern die gestörte Beweglichkeit der Gelenke, lassen Schwellungen und Entzündungen nach Verletzungen schneller abschwellen.

Können Sie uns die Wirkungsweise erklären?

Ein Kinesio-Tape hat eine sensorische Wirkung auf die Haut bzw. das darunterliegende Gewebe, also Muskel, Faszie, Gelenk, Lymphbahnen usw., und man behält die volle Beweglichkeit. Hierbei geht es um eine Reizung bzw. auch Sog- oder Zugwirkung auf die genannten Gewebearten und nicht vordergründig um eine Stabilisierung. Nicht zu unterschätzen ist sicher auch der Memoeffekt. Das Tape erinnert mich daran, dass an einer Stelle etwas nicht in Ordnung ist und dass ich mich deshalb in bestimmter Weise verhalten muss.

Manche sagen, Kinesio-Taping sei Unfug. Was entgegnen Sie?

Unfug wäre es, wenn es nachweislich überhaupt nichts bringen würde. Aber das stimmt nicht. Ich kenne viele Erfolgsgeschichten – auch aus der eigenen Praxis. Im Übrigen gilt: Wer heilt, hat recht. Und wenn’s nur ein Placebo-Effekt wäre – egal. Hauptsache ist doch, dass es vielen Patienten mit den Tapes besser geht. Ich hatte auch schon vereinzelt Fälle, bei denen die Beschwerden durch die Klebebänder zugenommen haben. Aber auch das zeigt ja, dass dort etwas wirkt.

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