Runter vom Gas – durch mehr Achtsamkeit

Schneller, höher, weiter – dieses sportliche Motto bestimmt heutzutage den Alltag vieler Menschen. Ein Gefühl des Getriebenseins beherrscht unser Berufs- und zum Teil auch unser Privatleben. Achtsamkeit kann ein Gegengewicht setzen.

Permanenter Stress im Beruf und im Privatleben durch Zeit- und Termindruck, durch Leistungsanforderungen – das bleibt oft nicht ohne Folgen für die Gesundheit, körperlich wie seelisch. Besonders Menschen in sozialen Berufen sind häufig großen Belastungen ausgesetzt, denn es gibt vielerorts zu wenig Personal für zu viele zu betreuende Menschen. Hinzu kommt die oft anzutreffende Persönlichkeitsstruktur von Menschen in sozialen Berufen. Die Aufmerksamkeit des Helfers richtet sich überwiegend auf andere Menschen und Situationen. In der Folge wird das eigene Befinden zurückgestellt – ein Fehler, den man zum Beispiel mit mehr Achtsamkeit korrigieren kann.

Der Begriff "Achtsamkeit"

Das Thema Achtsamkeit stammt ursprünglich aus dem Buddhismus und der Meditationspraxis, auch in verschiedenen Psychotherapieformen existiert der Begriff schon länger. Heute wird er etwas offener interpretiert. Achtsamkeit bedeutet schlicht, auf sich Acht zu geben, aufmerksam zu sein, bewusst zu sein im gegenwärtigen Augenblick. Also: mit den Gedanken bei dem zu sein, was man gerade tut. Dabei sollen die Empfindungen nicht bewertet, nur wahrgenommen werden. „Mithilfe von Achtsamkeit können wir erkennen, was ist. Wo bin ich? Was tue ich gerade? Was denke ich? Was fühle ich?“, erklärt der „Achtsamkeits- und Bewusstseinstherapeut“ Georg Lolos aus Köln. Der erste Schritt sei immer, anzuhalten, und das wichtigste Instrument, um uns im Augenblick zu verankern, sei unsere Atmung, so Lolos. „Die Atmung ist immer da – egal ob wir meditieren, duschen, essen oder uns unterhalten. Die Atmung dient uns als Anker, um uns im Hier und Jetzt zu etablieren.“ Achtsamkeit ist also eine Möglichkeit, seine Aufmerksamkeit auf den Augenblick zu lenken und sich rasch zu entspannen. Innehalten – einmal tief durchatmen, um nicht gleich wieder weiterzuhetzen. Wer innehält, geht runter vom Gas, hält einen Moment lang an, macht eine bewusste Pause und nimmt sich, seine Sinne und Emotionen bewusst wahr. Eine Vielzahl an Studien haben gezeigt: Wer sich täglich in Achtsamkeit übt, stärkt seine Gesundheit, seine Körperwahrnehmung und gewinnt an Gelassenheit und Ruhe. Und die Gelassenheit macht es einfacher, sich selbst und auch die Dinge so zu akzeptieren wie sie eben sind.

„Achtsamkeit ist wie Zähneputzen“

Georg Lolos ist Achtsamkeits- und Bewusstseinstrainer. Er gründete in Köln die „School for Being“. Lolos, der viele Jahre als Fernsehjournalist beim WDR gearbeitet hat, lebte drei Jahre in einem buddhistischen Kloster in Südfrankreich. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum „Ganzheitlichen Integrativen Atemtherapeuten“.

Georg Lolos über Hamsterräder und wie man aus ihnen wieder rauskommt:
Warum brauchen wir mehr Achtsamkeit? Was läuft schief in unserem Leben? Lolos: Wir befinden uns in einem Hamsterrad. Alles wird immer schneller, hektischer, komplizierter. Das betrifft in erster Linie die Arbeit, aber nicht nur. In der Freizeit geht es oft mit hohem Tempo weiter. Betroffen sind nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder. Sie sind schon in jungen Jahren total gefordert. Als ich klein war, haben meine Eltern in der 4. Klasse in Ruhe überlegt, wie es danach weitergeht. Heute beginnen die Planungen oft schon mit der Einschulung – mit dem entsprechenden Dauerdruck. Das alles kann nicht gesund sein. Was kann man dagegen tun? Auf die äußeren Umstände hat man als Einzelner ja eigentlich keinen Einfluss. Lolos: Man kann sein Haltung ändern. Muss ich wirklich auf jeden Zug aufspringen? Man sollte sich nicht überschlagen, sondern alles der Reihe nach tun. Wir müssen uns entschleunigen. Wir brauchen so etwas wie eine innere Hygiene. So wie wir heute auf das Mittelalter schauen und den Kopf schütteln über den vielen Dreck, in dem die Menschen damals lebten, wird man über uns später vielleicht sagen: Warum haben die Menschen damals so viel „Dreck“ in ihrem Innern zugelassen?

Wie funktioniert Achtsamkeit? Lolos: Das wichtigste Instrument, um uns im Augenblick zu verankern, ist unsere Atmung. Die Atmung ist immer da – egal ob wir meditieren, duschen, essen oder uns unterhalten. Solange wir unsere Atmung nicht verlieren, verlieren wir auch uns nicht. So erzeugen wir Achtsamkeit in uns und um uns herum. Die Atmung dient uns als Anker, um uns im Hier und Jetzt zu etablieren. Mithilfe der Energie der Achtsamkeit können wir erkennen was ist. Wo bin ich? Was tue ich gerade? Was denke ich? Was fühle ich? Der erste Schritt ist immer, anzuhalten. Aus dem Hamsterrad auszusteigen. Und dafür braucht es nur eine einzige bewusste Ein- und Ausatmung. Dann kann ich sehen, in welchem Zustand ich mich gerade befinde: Wenn in mir Freude ist, dann weiß ich, dass da Freude ist. Fühle ich Ärger oder Angst, dann sehe ich, dass da Ärger oder Angst ist. Mit verschiedenen Methoden und Techniken kann man dann versuchen gegenzusteuern. Reicht eine Anwendung? Lolos: Nein! Achtsamkeit ist wie Zähneputzen. Man muss am Ball bleiben, es regelmäßig tun. Sie haben eine Praxis in Köln, in der Sie mehr Achtsamkeit zu vermitteln versuchen. Viel zu tun? Lolos: Extrem viel. Offenbar trifft man mit so etwas genau den Nerv der Zeit. Eigentlich wollte ich wieder als Journalist arbeiten, aber dafür habe ich überhaupt keine Zeit.

„Solange wir unsere Atmung nicht verlieren, verlieren wir auch uns nicht.“

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